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Flugwesen

„Es entwickelt sich … nichts dagegen zu sagen, was wahr ist, ist wahr!«[1]

Auch über unsere Region gab es lange Zeit vor Ballone, Zeppeline, Flugzeuge und Raketen enorme Flugbewegungen. Über 187 Millionen Jahre beherrschten im Erdmittelalter (Trias, Jura, Kreidezeit) Flugsaurier die Lüfte; ein Fund bei Grimmen (Mecklenburg-Vorpommern) lässt schlussfolgern, dass es hier zumindest Überflüge gab.

Nach dem diese fast vollständig ausgestorben waren, einige kleine sind wohl die Vorfahren unserer heutigen Vögel, wurden diese von den sich entwickelnden Menschen neidisch ob des mühelosen Überwindens von Flüssen und Bergen beäugt, und es gab immer wieder Versuche, es ihnen gleichzutun.

So berichtet Homer über Daidalos, der gemeinsam mit seinem Sohn Ikaros mit angeklebten Vogelfedern aus der Gefangenschaft auf Kreta entfleuchte. Dass es dem Sohn das Leben kostete und vielen weiteren Pionieren der Luftfahrt ebenso erging, ist bekannt.

Auf dem Grabstein Otto Lilienthals, der als der erste Mensch gilt, der erfolgreich und wiederholbar Gleitflüge mit einem der Silhouette eines Vogels nachempfundenen Flugapparat durchgeführt hat, ist zu lesen: „Opfer müssen gebracht werden.“

Neben diesen die moderne Luftfahrt (schwerer als Luft) vorantreibenden Versuche gab es auch Experimente, die nach dem Prinzip leichter als Luft bald in größerem Maße genutzt wurden.

Luftschiffe, mit Wasserstoff oder Helium gefüllte Hüllen, wurden bald Zeppelin nach seinem Erfinder und Erbauer Ferdinand von Zeppelin genannt.

 

Der größte deutsche Konkurrent von Ferdinand von Zeppelin auf dem Gebiet des Starrluftschiff-Baus vor und während des Ersten Weltkriegs war Johann Schütte.

Vom 1. April 1916 bis zum 15. April 1925 befand sich in Zeesen in eine Niederlassung mit eigener Luftschiffwerft und Flugzeugbau. In Zeesen wurden insgesamt drei Luftschiffe und über 500 Flugzeuge gebaut. Mitte 1925 wurde die Firma Luftschiffbau Schütte-Lanz aufgelöst.

Einen umfassenden Überblick über die Geschichte des Areals in Zeesen gibt das vielen Fotos und Dokumenten bestückte Buch von Denny Hafemann „Hergestellt im Verborgenen“.

Mit der Rolle Johann Schüttes hinsichtlich Verstrickung in Krieg und Faschismus beschäftigte sich ein Autorenkollektiv in „Wie der Traum vom Fliegen zum Alptraum wurde“ (2011). Diese führte zu langen Diskussionen in der Königs Wusterhausener Stadtverordnetenversammlung, die 2007 das Zeesener Areal für Gewerbe und Handwerk „Schütte-Lanz-Gewerbe-Gebiet“ benannt hatte.

Die oft heftig ausgetragenen Diskussionen reichten von „das ist jetzt so entschieden“ bis zu „unbedingte Umbenennung“. Letztendlich wurden 2024 am Eingang zum Gewerbegebiet erklärende Tafeln aufgestellt, für die Denny Hafemanns Buch die Grundlage geschaffen hatte.

Im Oktober 1934 vergrößerten sich die Henschel Flugzeugwerke (HFW) durch den Aufbau eines weiteren Werkes in Schönefeld, die ihren Sitz zunächst in Kassel und später in Berlin hatte. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurden von den HFW insgesamt über 14.000 Flugzeuge gebauten. Es wurden in Schönefeld drei je 800 m lange Start- und Landebahnen aus Beton errichtet.

Das von einem Autorenteam erarbeitete Buch „Im Dienst des nationalsozialistischen Krieges – Der erste Flugplatz in Schönefeld“ (2022) beschreibt, dass zeitweise über 10.000 Arbeitenden an das Gelände gebunden waren - davon während der Kriegsjahre viele etwa 5.000 „Fremdarbeiter“ aus den besetzten Gebieten.

Zur Sprache kommen auch die vielfältigen Innovationen für die Luftfahrt und den Flugzeugbau, einschließlich die Arbeiten des Erfinders der Computertechnologie Konrad Zuse. Im Buch heißt es: „Von besonderer Bedeutung war der von ihm in Schönefeld 1942/43 entwickelte Rechner S1, der u.a. zur Optimierung der ferngelenkten Gleitbombe HS 293…“

Speziell mit dem Thema der „Fremdarbeiter“ u.a. in den HFW hat sich der Verein Kulturlandschaft Dahme-Spreewald e.V. beschäftigt und einige Dokumente zusammengetragen.

Während der Schlacht um Berlin wurden die HFW am 22. April 1945 von sowjetischen Truppen besetzt. 1946 zogen die sowjetischen Luftstreitkräfte nach Schönefeld.

 

1947 ordnete die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) den Aufbau eines zivilen Flughafens in Schönefeld an.

Dadurch wurde er zum Zentralflughafen der DDR.

Die Lage außerhalb der Stadtgrenzen Berlins führte dazu, dass in Schönefeld (anders als in Tegel und Tempelhof) trotz der besonderen Stellung im Zusammenhang mit dem Viermächte-Status Berlins nicht nur alliierte Fluggesellschaften, sondern auch solche aus sämtlichen Staaten der Welt uneingeschränkt starten und landen konnten… auch DDR-Fluglinien wie die Interflug oder vor ihrer Auflösung 1963 die Deutsche Lufthansa der DDR.

Rein rechtlich hätten sogar westdeutsche Fluggesellschaften wie die Lufthansa Schönefeld anfliegen können. Bundeskanzler Helmut Schmidt landete bei seinem DDR-Besuch am 11.12.1981 mit der Bundeswehrmaschine 01 „Otto Lilienthal“.

Eine besondere Geschichte verbindet sich dem Generalshotel, dass im Zug des inzwischen arbeitenden BER verschwunden ist…

Mit dem Flughafen Berlin-Schönefeld, wie er inzwischen genannt wurde, verbinden sich auch zwei Flugzeugabstürze.

Am 12. Dezember 1986 stürzte bei Bohnsdorf eine Tupolew Tu-134A ab., bei dem 72 Menschen starben und 10 überlebten.

14. August 1972 gab es einen dramatischen Absturz einer Iljuschin Il-62 über Königs Wusterhausen mit 156 Opfern, den Menschen in der Stadt wahrgenommen hatten. Am 52. Jahrestag des Unglücks wurde die Straße Am Wasserwerk zu Ehren des Piloten Heinz Paff der Maschine in Heinz-Pfaff-Straße umbenannt. Durch sein Handeln war die Stadt vor einem schlimmeren Unglück bewahrt worden und das Flugzeug nicht in einem Wohngebiet aufgeschlagen.

BER, das ist der internationale Code für den Flughafen, der eigentlich Flughafen Berlin-Brandenburg „Willy Brandt“ heißt und in seiner Bauphase in einen ähnlichen Ruf wie Stuttgart 21 geraten war – und seit 2020 „arbeitet“.

War schon die Standortsuche für einen neuen Großflughafen ein ziemliches hin und her (dieser Link ist unter Vorbehalt eingestellt), so war dann die kurzfristige Absage des ursprüngliche Eröffnungstermin Anfang November 2011 höchst peinlich. Ein regierender Bürgermeister, ein Ministerpräsident und ein Bundesminister hatten den Sekt für den 24. Mai 2012 mit 40.000 geladenen Gästen (Kosten: rund zwei Millionen Euro) schon kaltgestellt.

Der damalige Landrat Stephan Loge des LDS und seine zuständige Behörde hatten wegen gravierender Baumängel (u.a. des Brandschutzes) die Genehmigungen nicht erteilt; dies wurde auch vorher kommuniziert – aber wie darauf reagiert wurde zeigt die nachfolgende Episode:

Angesprochen auf die Verzögerungen beim BER-Bau hatte Bundesminister Ramsauer (CSU) angesäuert in ein Radiomikrofon gesagt: „Glauben Sie, der deutsche Bauminister setzt sich mit den Äußerungen des Pressesprechers aus irgendeinem Landkreis auseinander? Dann gehen sie zum Landkreisfeuerwehrmeister im Landkreis Dahme oder sonst wie!“ (das gab es sogar mal als Video)

Inzwischen entstand der Ort Diepensee in Königs Wusterhausen als neuer Ortsteil und im Oktober 2020 konnte der Flughafen nach 14-jähriger Bauzeit schließlich eröffnet werden. Ursprünglich sollten die Baukosten rund 2 Milliarden € betragen. 2015 waren es bereits knapp sechs Milliarden. Letztendlich waren es wohl über 7 Milliarden Euro…

Sicher geht immer mehr – nicht an Ausgaben, aber es geht um den Charakter eines Flughafens. Bösartige meinen, dass der BER mit nur 5 Langstrecken ein Regionalflughafen sei. In London und Paris waren es 2023 jeweils über 100.

Das eine sind Nachtflugverbot und noch immer „Nacharbeiten“. Aber manche meinen, dass eine dritte Start- und Landebahn (Nord/Süd, Süd/Nord) benötigt wird. Dafür würde Platz gebraucht. Der Ort Selchow und die und Internationalen Luftfahrtausstellung (ILA) würden wohl umziehen müssen. Für die ILA wäre es der zweite Umzug.

Auf den Autobahnen A11 und A13 gab es zu DDR-Zeiten im jetzigen Landkreis eine Notlandebahn: bei Friedersdorf (Ost/West, West/OST) und bei Ortrand/Ruhland im OSL (Nord/Süd, Süd/Nord) mit großen Wende- und Abstellplätzen, die zu DDR-Zeiten von MiGs probehalber angeflogen wurden. Sicher wird man die nicht wiederbeleben.

Damit sind wir bei militärischen Einrichtungen, die es in der Region gab, aber nicht mehr in Betrieb sind:

Den Fliegerhorst Alteno in der Nähe von Luckau gab es seit 1938, nächst von der Luftwaffe der Wehrmacht, später nach Asphaltierung der Start-Landebahn übernahmen ihn die Luftstreitkräfte der NVA. Seit 1990 ist der Flugbetrieb eingestellt.

Heute kennt man den Flugplatz Brand in Verbindung mit dem Freizeitpark Tropical Islands. Von 1938 bis 1945 war er ein Fliegerhorst von der Luftwaffe der Wehrmacht, der nach dem Krieg von der Sowjetarmee übernommen wurde. Ab 1950 erweiterte sie diese durch eine 2.500 m lange betonierte Haupt-Start- und Landebahn. Außerdem wurde ein Sonderwaffenlager geschaffen, in dem nukleare Fliegerbomben gelagert wurden.

Nach dem Abzug der sowjetischen Streitkräfte im Jahr kaufte das Unternehmen Cargolifter AG das Areal im Jahr 1998 und eröffnete 2000 auf dem Gelände die größte freitragende Werfthalle der Welt, um in dieser Lastenluftschiffe zu konstruieren. Damit wäre die Luftfahrt auf dem Gelände verblieben. Aber das Unternehmen ging in Konkurs und.

Seit 2004 befindet sich in der Halle die Freizeitanlage Tropical Islands, wo man mit einem kleinen Ballon in der Halle bis unter das Dach fahren kann.

Wenig oder nichts ist vom Hubschrauber-Landeplatz in Pätz direkt an der B 179 sichtbar. Zeitweilig war auf dem Gelände des dortigen Stabes der Grenztruppen der DDR ein Hubschrauber zu sehen. Er gehörte zur Hubschrauberstaffel 16.

Der seit 1961 als Segelflugplatz genutzt Flugplatz in Friedersdorf, verlor die Genehmigung zunächst zum 20. Februar 2024. Wie es weiter geht, bleibt abzuwarten.

Seit 2003 haben rund 70 Unternehmen vor allem aus dem Bereich Luftfahrttechnik, aber auch aus anderen Hightech-Branchen wie Engineering, Informations- und Kommunikationstechnik sowie der Servicebranche haben bisher im Wildauer Zentrum für Luft- und Raumfahrt ihren Standort gefunden.

Alles in allem kann man feststellen, dass sich auf dem Gebiet des LandkreisesLandkreise schon sehr lange vor dem BER das Flugwesen entwickelte – womit wir wieder bei der Kuh im Propeller wären…
 

[1] Auszug aus „Kuh im Propeller“, 1923, Michail Soschtschenko, Textversion,
gelesene Version von Manfred Krug, Amiga 1965: Lyrik Jazz Prosa auf YouTube (Ton an?)

© 18.08.2024 GKD

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